Kleines grünes FAQ

Du hast Angst, dass du jetzt im Biergarten kiffen musst? Söder hat ein Schaukelpferd vor deine Haustür gestellt und du bist nicht sicher, ob dein Balkon jetzt legale Konsumfläche ist? Ich helfe dir in diesem kleinen FAQ weiter!

KeyVisual
von Dersim
16.04.2024


Mein letzter Beitrag 
Nun doch Brokkoli
hatte einiges an Kontroversen zur Folge. Daher erachte ich es für sinnvoll, auf weitere Punkte genauer einzugehen.

Das wichtigste vorweg: Wann und wo darf ich denn legal konsumieren?

Dazu werfen wir am besten einen kurzen Blick ins Gesetz. Das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG)
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enthält hierzu in § 5 KCanG die entsprechenden Regelungen.

(1) Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten.

(2) Der öffentliche Konsum von Cannabis ist verboten:

  1. in Schulen und in deren Sichtweite,
  2. auf Kinderspielplätzen und in deren Sichtweite,
  3. in Kinder- und Jugendeinrichtungen und in deren Sichtweite,
  4. in öffentlich zugänglichen Sportstätten und in deren Sichtweite,
  5. in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr und
  6. (zukünftig in Kraft).

Im Sinne von Satz 1 ist eine Sichtweite bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der in Satz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 genannten Einrichtungen nicht mehr gegeben.

(3) In militärischen Bereichen der Bundeswehr ist der Konsum von Cannabis verboten.

Vorsicht: Das Folgende ist meine Auslegung des Gesetzes nach den gängigen juristischen Auslegungsregeln. Gerichtlich ist das nicht bestätigt, weitere juristische Quellen zu dem neuen KCanG, die diese Interpretation bestätigen, gibt es nicht und eine Haftung für diese Auslegung kann und will ich nicht übernehmen.

Die Auslegung von Gesetzen ist das Interpretieren dessen, was tatsächlich im Gesetz geschrieben steht, um herauszufinden, was damit gemeint ist. Dazu gibt es eine Reihe an Methoden. Die gängigste ist der Wortlaut des Gesetzes. Hilft das nicht weiter, gibt es eine Reihe anderer Techniken. Zum Beispiel kann man nachlesen, was während des Gesetzgebungsprozesses diskutiert wurde und wie das Gesetz begründet und erläutert wurde. Genau das hilft beim KCanG recht gut weiter.

In Absatz 2 wird der öffentliche Konsum von Cannabis reguliert. Dieser ist in den dort aufgezählten Fällen verboten. Dabei ist der Begriff der Sichtweite entscheidend. Dieser ist legaldefiniert als „Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich“. Der Begriff „in Sichtweite“ bedeutet, dass ein Objekt oder ein Ziel so nahe sind, dass sie mit bloßem Auge gesehen werden können. Das bedeutet denklogisch, dass durch entsprechende physische Hindernisse, die eine Sicht unmöglich machen, dieser Radius von 100 Metern unterschritten werden kann.
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Etwas kann nur dann in Sichtweite sein, wenn auch etwas zu sehen ist.

Die Legaldefinition soll darüber hinweghelfen, dass jeder Mensch unterschiedlich gut und weit sieht. Damit wird verhindert, dass ein Brillenträger ohne Brille möglicherweise direkt vor der Schule, der gut sehende Kandidat aber 250 Meter von dieser entfernt erst konsumieren dürfte.

Sinn der Norm ist der Jugendschutz. Folglich ist diese Interpretation auch dadurch gestützt. Der Schutz der Jugend soll dadurch unterstützt werden, dass Jugendliche nicht direkt beim Verlassen der Schule sehen, wie eine Horde fröhlicher Menschen genüsslich Cannabis raucht. Können die Jugendlichen einen durch ein physisches Hindernis nicht sehen, ist das erfolgreich verhindert.

In Absatz 1 wird der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verboten. Hier stellt sich die Frage, was „unmittelbarer Gegenwart“ bedeutet. Aus dem Gesetzesentwurf vom 09.10.2023 wird klar, dass unter unmittelbarer Gegenwart eine gleichzeitige, vorsätzliche enge körperliche Nähe der konsumierenden Person und einem oder mehreren Kindern oder Jugendlichen am gleichen Ort oder in unmittelbarer räumlichen Nähe zueinander zu verstehen ist, sodass eine konkrete Gefährdung der oder des Minderjährigen besteht.

Das bedeutet, dass dementsprechend der Konsum in einem öffentlichen Park problemlos möglich ist. Dabei darf man sich aber beispielsweise nicht gezielt zu Kindern auf einer Parkbank setzten und dort genüsslich einen Dübel rauchen.
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Generell gilt: Nähe zu Kindern und Jugendlichen ist zu meiden.

Übrigens kann Söder so viele Schaukelpferde aufstellen, wie er mag. Bei derartigen Definitionen wird in der Regel auf eine entsprechende Widmung abgestellt. Mit der Widmung wird durch eine Behörde erklärt, dass die betreffende Sache oder der entsprechende Bereich einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll. Eben beispielsweise, dass ein Schaukelpferd ein Spielplatz sein soll. In der Praxis wird es für einen Konsumenten kaum möglich sein, zu beurteilen, ob ein Schaukelpferd offiziell gewidmet wurde. Daher lautet die eindeutige Empfehlung: Wenn etwas zum Spielen geeignet erscheint, den Anschein eines Spielplatzes oder einer Sportstätte erweckt oder auch nur diese Vermutung zulässt, sollte unbedingt Abstand gehalten werden.

Beim Finden von legalen Spots hilft die Bubatzkarte: https://bubatzkarte.de/. Diese ist aber nur ein Hilfsmittel und keine Garantie, dass die markierten Bereiche wirklich „sicher“ sind!

Auch für Oma gibt es jetzt einen Joint
Bildquelle: RDNE Stock project/Pexels

FAQ

Falsch!

Für viele Opioidabhängige war Cannabis die erste illegale Droge, die diese konsumierten. Dem ging vermutlich in der Regel der Konsum legaler Drogen wie Alkohol und Tabak voraus. Unter den Konsumenten von Cannabis sind aber nicht überdurchschnittlich viele Konsumenten, die neben Cannabis auch harte Drogen konsumieren. In der Folge muss klar genannt werden, dass damit die Theorie der Einstiegsdroge nicht mehr tragbar ist. Vielmehr stellen Alkohol und Tabak Einstiegsdrogen dar, während Cannabis maximal eine Durchgangsdroge ist.
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Die meisten Konsumenten von Cannabis, aber auch von anderen Drogen, begannen mit dem Konsum von Alkohol und Tabak. Der Cannabis war bei einigen maximal die erste bis dato illegale Droge, nicht aber die Droge, die den Einstieg in die Welt des Drogenkonsums begründete.

Wissenschaftlich fest steht sogar, dass selbst bei bis zu zwei Mal wöchentlichem Konsum von Cannabis in der Freizeit regelmäßig keine Sucht entsteht. Bei Tabak oder Alkohol ist das anders. Durch die erste Sucht wird oft erst die Sucht auf weitere Drogen begründet. Damit ist Cannabis sogar weniger geeignete Einstiegsdroge als Alkohol und Tabak.
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Durch die bisherige Illegalität waren Menschen gezwungen, Cannabis bei Dealern zu kaufen. Dealer haben aber meist mehrere Drogen im Angebot und wer ein bei einem Dealer war, der weiß, wo er auch andere Drogen bekommen kann oder bekommt sie sogar angeboten. Die bisherige Illegalität hat folglich sogar dazu beigetragen, dass Menschen härtere Drogen leichter bekommen haben.
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Möglich, aber...

Das ist möglich. Hierzu fehlen lange Studien und entsprechende Datenmengen. Die Steigerungen bewegen sich in den Ländern, in denen Cannabis legalisiert wurde, im Bereich von wenigen Prozent innerhalb des üblichen statistischen Schwankungsbereichs. Zudem dürfte die Legalisierung auch dafür sorgen, dass Menschen offener bei Erhebungen angeben, dass sie Cannabis konsumieren.
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Eine bedenkliche oder signifikante Steigerung lässt sich in keinem der entsprechenden Länder feststellen.
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Falsch!

Bisher ist Cannabis über das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verboten gewesen. Das BtMG ist zur Regelung des generellen Umgangs mit Betäubungsmitteln gedacht. Sein Ziel ist nicht der Jugendschutz, sondern der Schutz der „Volksgesundheit“. Der Jugendschutz ist dabei keine Zielsetzung des BtMG. Für den Jugendschutz gibt es das Jugendschutzgesetz (JuSchG). Folglich war für das Argument des Jugendschutzes schon immer das falsche „Instrument“ verwendet worden. Durch das KCanG wird erstmals ernsthaft Jugendschutz im Bereich von Cannabiskonsum hergestellt. Es soll, wie bereits beschrieben, durch verschiedene Maßnahmen der Konsum von Cannabis von Jugendlichen ferngehalten werden.

Falsch!

Durch das KCangG werden viele vorher strafbare Handlungen nun legal. Wir reden hierbei vor allem von dem Besitz von Cannabis in kleinen Mengen. Durch die Legalisierung dieser Handlungen fällt das Interesse des Staates an der Bestrafung der Personen weg. Es ist demnach geboten, die entsprechenden Strafen nicht weiter zu vollstrecken. Solch eine Amnestieregelung sieht das KCanG auch vor. Das Argument, dass das aber Arbeit bedeutet, ist denkbar ungeeignet. Der Staat darf sich von rechtsstaatlichen Pflichten und geboten nicht selbst entbinden, mit dem Argument, dass das anstrengend sei. Das wäre ungefähr so, als würden Lehrer mit demselben Argument anfangen, Korrekturfehler zulasten von Schülern nicht zu beheben oder als dürfte der Kassierer im Supermarkt bei fehlerhaftem Wechselgeld den Fünfziger, der noch fehlt, einfach behalten.

Nein!

Die Abgabe oder Weitergabe von Cannabis an Dritte ist nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG strafbar. Das gilt nach § 9 Abs. 2 KCanG auch für Cannabis aus eigenem Anbau. Eine Ausnahme bilden hiervon die Anbaugemeinschaften (Cannabisclubs). Diese werden Mitgliedern Cannabis in bestimmten Mengen verkaufen dürfen. Wie das genau aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Nein!

Die Einfuhr von Cannabis ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KCanG verboten. Nach § 4 Abs. 2 KCanG ist allerdings die Einfuhr von Cannabissaatgut aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Eigenanbau erlaubt. Du darfst also Samen aus Holland für dich selber mitnehmen.

Nein!

Wenn jemand nach dem Konsum von Cannabis nicht mehr sicher Auto fahren kann, ändert sich nichts: Er macht sich strafbar. Aber im Gegensatz zu Alkohol reicht ein positiver Drogentest allein nicht aus, um die Fahruntüchtigkeit zu beweisen. Es müssen zusätzliche Anzeichen, wie Fahrfehler hinzutreten. In diesem Fall macht sich der Fahrzeugführer nach wie vor nach § 316 StGB strafbar.
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Anders als bei einer möglichen Straftat nach § 316 StGB reicht es für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG aus, wenn ein Fahrzeugführer mit einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt. Ausfallerscheinungen sind nicht notwendig.

Nicht viel

Infolge eines Urteils des LG Ulm hat der BGH am 18.04.2024 einen Beschluss gefasst, in dem dieser den Grenzwert der nicht geringen Menge i.S. von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG auf 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) festgesetzt hat.
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Relevant ist das für die Fälle, in denen gegen § 34 Abs. 1 KCanG verstoßen wird. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer zum Beispiel zu viel Cannabis bei sich hat (mehr als 30 Gramm Cannabis außer Haus, mehr als 60 Gramm Cannabis daheim) oder mehr als 3 lebende Pflanzen hat. Wird hiergegen verstoßen, drohen Strafen. § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG regelt dabei besonders schwere Fälle. Das sind solche Verstöße gegen den § 34 Abs. 1 KCanG, die der Gesetzgeber für besonders schlimm erachtet hat und dementsprechend höhere Strafen festgelegt hat.

In besagtem Urteil wurden bei einer Durchsuchung eines Anwesens über 1.763 Cannabispflanzen mit mindestens 160 kg Marihuana und mit einer Gesamtmenge von 22.105 g THC gefunden. Der BGH spricht hier ausdrücklich von „tatgegenständlicher Menge“. Dies bezieht sich logischerweise daher auf die Menge über der erlaubten Menge. Für diese Menge über der erlaubte Menge Cannabis wurde jetzt festgelegt, dass die nicht geringen Menge für THC 7,5 g beträgt und daher ein besonders schwerer Fall bei dem Erreichen dieser Menge THC in dem, was man zu viel an Pflanzen oder sonstigem Cannabis hat, vorliegt. Zwar ist diese Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf die Legalisierung und darauf, dass 50 g Cannabis durchaus mal mehr als 7,5 g THC enthalten können, sehr zweifelhaft, aber sie steht nun vorerst im Raum.
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Grund zur Panik besteht jedoch nicht. Wer sich entsprechend des KCanG verhält, der hat auch aufgrund dieser Entschiedung nichts zu befürchten.

Junge Menschen lachen zu viel und saufen zu wenig (zumindest, wenn es nach Söder geht).
Bildquelle: Pavel Danilyuk/Pexels

Die Zukunft wird zeigen, wie gut die Legalisierung in Deutschland tatsächlich klappt. Spannende (juristische) Fragestellungen stehen uns bevor und es gilt definitiv erstmal Vorsicht walten zu lassen. Die Legalisierung wird ihre Herausforderungen mit sich bringen, aber sie wird auch viele Menschen sehr glücklich machen.

Ihr habt weitere Fragen? Stellt sie mir in den Kommentaren oder schreibt mir auf Social-Media! Ich werde dann den Beitrag aktualisieren oder einen zweiten Teil erstellen.

Hinweis:

Ich habe den Beitrag am 22.04.2024 wegen des BGH-Beschlusses vom 18. April 2024 ergänzt.


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