Wie die Schallplatte mich Musik neu entdecken lies
Sie galt als Relikt. Als überholt. Als Medium aus einer anderen Zeit. Doch zunehmend füllen wieder schwarze Scheiben aus Vinyl die Musikregale.

Schwarz, kratziger Klang, dann hängt der Ton in einer Schleife fest. So zumindest haben viele Leute die Platte im Gedächtnis. Mit der Realität hat das freilich wenig zu tun. Die Platte klingt gelinde gesagt exzellent! Wer Spotify als Benchmark nimmt, der sollte an dieser Stelle ganz ruhig sein. Spotify liefert Qualität, die schon zu Zeiten der alten Handys, die mit Infrarot in einer nervtötenden Prozedur Daten untereinander austauschten, höchstens mittelmäßig war.
Klar ist aber auch: Klangqualitativ ist die moderne CD der Platte durchaus ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Eine digitale Aufnahme nutzt sich nicht ab und hat keine Nebengeräusche. Auch sind die beiden Stereokanäle bei einem digitalen Medium klar getrennt, während bei der Platte durch die V-förmige Rille eine Vermischung beider Kanäle unvermeidbar ist.
Trotzdem ist die Schallplatte im Vergleich zu Spotify wirklich ein Klangwunder. Ein Blick auf die Bitrate offenbart dabei, warum das so ist. Die Bitrate zeigt grob gesagt, wie viele Informationen der Musik in einer Sekunde verarbeitet werden. Spotify bietet seinen Kunden lächerliche 320 kbit/s im Premium-Modell. Eine herkömmliche CD hält allerdings schon 1.411 kbit/s bereit.[:] Spotify ist folglich absolut abgeschlagen, denn die Bitrate wirkt sich bei digitalen Medien direkt auf die Klangqualität aus, sofern das Abspielgerät dabei natürlich kein Nadelöhr darstellt.
Tatsächlich ist der Digital-analog-Konverter in den meisten Smartphones heutzutage wirklich gut. Mit dem Handy ist Musikgenuss von geeigneter Quelle damit wirklich gut möglich. Für eine Schallplatte ist das Smartphone selbstverständlich keine Option. Für den vollen Genuss der schwarzen Scheibe wird natürlich ein Plattenspieler benötigt. Seine Saphir- oder Diamant-Nadel tastet die feinen Rillen in dem schwarzen Kunststoff ab und speist einen Vorverstärker. Von dem wiederum wird das Signal dann in den Verstärker geleitet, an dessen Ende die Lautsprecher hängen.

Die Faszination dieses gesamten Weges der Musik bis zu den Ohren des Hörers ist nur einer von vielen Gründen, warum sich die Schallplatte wieder großer Beliebtheit erfreut. Liebevoll gestaltete Cover, wertige Booklets und insgesamt ein Produkt, das sich gut im Regal macht. Das unterscheidet die Scheibe aus Vinyl von allen anderen Formaten. Warum sollte ich 25 € für einen Download zahlen, wenn ich für den gleichen Preis auch eine wunderschöne Platte bekomme? Und nicht nur das. Meistens gibt es den Download mit der Platte direkt dazu. Oft als Kärtchen mit einem Code darauf oder sogar als CD-Beilage. Eine Schallplatte zu kaufen fühlt sich einfach viel besser an. Man bekommt was für sein Geld. Nicht selten sind die Platten zu dem in einer besonderen Farbe oder mit schönem Druck versehen. Künstler verwirklichen sich oft auch in der fantasievollen Gestaltung ihres Mediums.
Das Medium aus Vinyl wirkt nicht nur durch sein Gewicht hochwertig, sondern auch durch die gesamte Art des Abspielens von Musik. Das Herausnehmen der Platte aus ihrem Karton, das Auflegen auf den Plattenteller und vorsichtige Absenken des Tonarms in die feinen Rillen der Schallplatte machen das ganze zu einem angenehmen Ritual. Damit ist Musik hören keine Nebensache mehr, sondern die Musik steht im Mittelpunkt. Für mich als technikbegeisterten Menschen war das eine Art Offenbarung. Die CD hat es nie geschafft, einen Bezug zum Medium herzustellen. CDs waren eigentlich nur dazu da, die Musik zu kaufen und wurden dann digitalisiert. Abgesehen davon, dass die CD auch absolut keine attraktive Optik aufweist.
Doch nicht nur das Medium ist einfach ein Genuss, sondern auch die Plattenspieler strahlen eine wunderbare harmonische Nostalgie aus. Das Design ist oft zeitlos gehalten, und obwohl die Geräte zum Teil schon viele Jahrzehnte lang den Menschen Musikgenuss ins Wohnzimmer bringen, funktionieren Sie auch heute oft noch auf Anhieb. Trotz rein mechanisch hebt sich der Tonarm, fährt zu seiner Position und senkt sich sanft in die Rille. Ein Genuss ist es, den Plattenspieler bei seinem Schauspiel zu beobachten. Auch, wenn nicht immer alles sofort funktioniert, ist es oft einfach selbst reparierbar. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern macht auch richtig Spaß!

Dieses genussvolle Musikhören, das ist etwas, das meiner Generation leider abhandengekommen zu sein scheint. Wir sind geprägt von Streaming-Diensten und Musik ist austauschbar geworden. Im Radio kommt immer derselbe, oft sehr minderwertige Mist. Die YouTube-Charts sind voll mit Deutschrap, deren Lyriker der Sprache ungefähr so mächtig sind wie ein Neugeborenes. Die Qualität dessen, was heutzutage als Musik verkauft wird, lässt sich oftmals kaum noch weiter senken. Musik ist ein billiges Ramschprodukt geworden. Alles dreht sich darum, möglichst schnell viele Hörer zu generieren, die möglichst viel Musik in kürzester Zeit konsumieren.[:] Sänger sind zu Musikfabriken degradiert worden und Lyriker können problemlos durch eine Horde Affen ersetzt werden.[:]
In diesen Zeiten empfinde ich die Schallplatte als eine Art von Erdung. Ein Kunstwerk, das diesen Namen auch verdient. Der Schallplatte ist egal, wie viele Klicks auf Spotify, Deezer und den anderen ein Titel bekommt. Die Platte bleibt auch bei mir im Regal, wenn sich mal wieder Verwertungsgesellschaften mit Distributoren streiten. Und wann immer ich will sehe, fühle und höre ich meine Musik auf die Art, die mir am besten gefällt.