Die Stadt, die niemals schläft
New York? Nein. Ich bin in einer Stadt, die seit fast 3.000 Jahren wach ist. In der das Leben blüht. In der Geschichte geschrieben wurde und heute noch spürbar ist.

Menschen, Stimmen, irgendwo eine Hupe. „Buyrun” tönt es von überall. Die Händler wissen, wie sie ihre Wahren an den Menschen bringen. Lichter blinken, leuchten, formen Wörter aus farbigen LED, verschwimmen wieder im Hintergrund des Lärms. Es ist ein Uhr nachts. Diese Stadt schläft nicht.
Der Geruch von frischem Essen liegt in der Luft. Tee wird getrunken. Auch nachts. Links von mir unterhalten sich zwei Männer aufgeregt. Ein Taxi bahn sich seinen Weg durch die Menschenmasse. Ich spaziere wie in Trance durch diese Welt.

In der İstiklal Caddesi, wie die große Einkaufsstraße in Taksim heißt, ist rund um die Uhr etwas los. Doch auch die Nebenstraßen sind voller Leben. Ein kleines Teehaus lacht mich an und so beschließe ich dort Platz zu nehmen. Der Kellner, ein Mann in seinen Fünfzigern, begrüßt mich freundlich und bringt mir auf meine Bestellung hin eine Tasse türkischen Tees sowie ein paar Stücke der berühmten türkischen Süßspeisen.
Zuckersüß, aber dennoch schmackhaft. Verschiedenste Nüsse und Früchte kreieren eine Welt aus spannenden Texturen und vielfältigen Aromen. Viel kann man nicht von den türkischen Nachspeisen essen und dennoch lässt die Lust auf mehr, auf neues kaum nach.
Ansprechend stellen die Händler in ihren kleinen Läden ihr Sortiment zu Schau. Ich begebe mich weiter auf Entdeckungsreise. Geröstete Kerne und Nüsse, traditionell gereicht zu Tee oder Kaffee, aber auch Lokum, eine Süßigkeit auf Basis einer Mischung aus gelierter Stärke und Zucker, oft versetzt mit Nüssen oder Fruchtaromen, wird in tausenden Varianten feilgeboten. Probieren? Kein Problem! Oft stehen kleine Schalen bereit, in denen kleinere Stücke zu finden sind, die gerne verköstigt werden dürfen.

Vier Stunden noch, bis der Muezzin zum Morgengebet rufen wird. Punkt 06:39 Uhr, so ist es festgesetzt worden, wird seine Stimme von den Minaretten der nahegelegenen Moschee über die Straßen und Plätze tönen. Hier treffen Tradition, Kultur und konservative Ideologie auf modernes Nachtleben und Menschen aus aller Welt. Und ich mitten drin werde drei Monate lang diese Stadt erkunden, entdecken und erleben.
Mit diesem Gedanken im Kopf merke ich langsam, dass es an der Zeit ist. Ich gehe zurück in mein Hostel. Ein paar Stunden Schlaf brauche ich dann doch. Auch in der Stadt, die niemals schläft.