Techscam - Heute: Solar Roadways
Solar FREAKIN' Roadways! Du hast richtig gehört! Solar FREAKIN' Roadways! Aber was ist dran an der Idee, wenn man etwas länger darüber nachdenkt? Eventuell gar nicht mal so viel...

Solar FREAKIN' Roadways!
So titelte der berühmte Werbespot der Firma Solar Roadways inc. Die Idee dahinter: Solarzellen als Fahrbahnbelag. Klingt gut? Ich meine, wir stehen schließlich vor einer der größten, ja vielleicht sogar der größten Menschheitsherausforderung jemals: Dem Klimawandel. Da ist jede Idee willkommen, die dazu beitragen kann, unser großes Problem der emissionsfreien Energiegewinnung zu lösen. Solarzellen sind nichts Neues, aber haben ein kleines Problem: Sie brauchen Platz. Viel Platz. Gut, den haben wir auch überall. Milliarden von Gebäuden auf der ganzen Welt haben so etwas, das sich Dach nennt. Die meist trostlose Fläche, die sonst ungenutzt nur dazu dient, dass der Regen uns nicht auf den Kopf prasselt und die Wärme in der Stube bleibt, wird mit einigen blau schimmernden Platten in Windeseile zum Kraftwerk.
Kling doch eigentlich gut,...
Nun, Solar Roadways will eine ganz andere Art trostloser Flächen zur Energiegewinnung nutzbar machen. 30 Hektar Boden werden täglich in Deutschland mit Asphalt, Beton oder Schotter zugeschüttet. Oft für Gebäude oder eben Straßen, Parkplätze oder Wege.[:]
Nun will Solar Roadways ebendiese Verkehrsflächen zur Energiegewinnung nutzbar machen. 2006 gegründet von einem Ehepaar aus dem Westen der USA erhielt das Unternehmen durch diverse Spendenkampagnen ca. 4,5 Millionen US-Dollar.[:] Die Spender waren dabei hauptsächlich Privatpersonen, die über Plattformen wie Indiegogo dem Unternehmen Geld zur Verfügung stellten.
Die Idee des Unternehmens: Statt Solarmodule auf Dächern zu installieren, sollen diese den Straßenbelag, wie wir ihn kennen, durch Glasplatten mit eingebauten Solarmodulen ersetzen. Diese sollen zudem mit allem möglichen an Elektronik ausgestattet sein, wie LEDs zur Anzeige von Markierungen, einer elektrischen Heizung und verschiedenen Sensoren ausgestattet sein. So sollen Flächen dynamischer nutzbar sein, Gefahren auf der Straße markiert werden können und auch das Schneeräumen dank Heizung im Boden entfallen. Klingt wie Science-Fiction? Ist es auch.
...oder?
Oder eher reine Fiktion. Abgesehen von der einigermaßen dummen Idee, die zumindest in der Theorie fast vollständig recycelbare Rohstoffe,[:] aus denen unsere Straßen zusammengesetzt sind, durch Glasscheiben zu ersetzen, ergeben sich bei genauerem Blick auf die Idee viele weitere Aspekte, warum diese zum Scheitern verurteilt ist.
Doch führen wir uns zuerst einige der Eigenschaften vor Augen, die eine Straße heutzutage erfüllen muss:
- Sie muss tragfähig sein. Wenn der durchschnittliche Mann in der Midlife-Crisis mit seinem tonnenschweren Plug-in-Hybrid darüber brettert, um sich wieder jung und dynamisch zu fühlen, dann sollte der Untergrund das auch abkönnen. Auch, wenn das hunderte oder gar tausende so täglich machen.
- Sie muss ausreichend Reibungswiderstand bieten. Wer in der Schule aufgepasst hat, der weiß, dass eine Vorwärtsbewegung nur dadurch möglich ist, dass eine entsprechend gleich große Kraft wie für die Beschleunigung nach vorne nötig ist, in entgegengesetzte Richtung nach hinten wirkt. Bei einem Auto geschieht dies üblicherweise über die Reifen. Damit diese nicht einfach über den Belag rutschen, muss dieser ausreichend rau sein, um genügend Reibungswiderstand zu bieten.
- Sie muss wetterfest sein. Zwar macht uns der fortschreitende Klimawandel durchaus Hoffnung darauf, dass wir auch im Winter im Dorfweiher schwimmen und Caipirinha am Ufer saufen können, aber bis dahin müssen unsere Straßen auch mit Regen und Schnee fertig werden.
- Sie muss billig sein. Wir vergeuden schon lange viel zu viel (Steuer-)Geld für tote Flächen, auf denen Autos herumstehen.[:] Mehr will dafür sicher niemand zahlen.
- Sie muss im industriellen Maßstab baubar sein. Ich meine, klar kann man mal versuchen eine Autobahn aus Kopfsteinpflaster zu bauen. Dann hätten SUVs wenigstens mal eine Daseinsberechtigung, aber bis die Straße fertig wäre hätten wir sicher schon längst alle Flugtaxis.

Und was davon kann jetzt Solar Roadways?
1. Die Tragfähigkeit
Nun war nicht nur das bekannte Unternehmen aus den USA auf diese Idee gekommen, sondern auch beispielsweise ein Unternehmen in Frankreich. Dort wurde 2016 eine etwa einen Kilometer lange Teststrecke eröffnet, die auf 2.800 Quadratmetern Fläche mit Solarmodulen gepflastert ist.[:] Doch schon wenig später stellte sich heraus: Die Straße hält den Belastungen des täglichen Straßenverkehrs nicht stand. Zudem war der Belag so laut, dass die erlaubte Geschwindigkeit auf 70 km/h gedrosselt werden musste. Bereits 2018 mussten Teile der Anlage abgerissen werden, da sie zu sehr verschlissen waren.[:] Eigentlich wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Straßenbeläge normalerweise aus extrem harten Materialien gefertigt werden und durch einen geschlossenen Oberbau versuchen, das Gewicht des Verkehrs gut zu verteilen. Mit kleinen Platten oder Paneelen ist das deutlich schwieriger und es passiert, was jeder von uns von gepflasterten Wegen kennt: Es kommt zu deutlichen Spurrillen und Absenkungen einzelner Platten.
2. Die Reibung
Wer schon mal mit dem Rad gestürzt ist, der weiß, dass Straßen richtig übel rau sind. Die Verletzungen sind wirklich nicht angenehm. Glasplatten hingegen sind im Regelfall nicht sonderlich rau. Man kann allerdings Rillen rein fräßen und dadurch der Oberfläche Grip verleihen. Verwendet wird daher im üblichen Asphalt beispielsweise Granit oder Grauwacke.[:] Diese halten Schläge und Reibung durch Reifen sehr gut aus und das muss ein Straßenbelag auch. Eine Straße ist im Regelfall zudem auch nicht gerade sauber. Viele kleine Partikel reiben ständig zwischen Reifen oder Schuhwerk und dem Untergrund als würde man mit Schleifpapier darüber fahren. Das hält eine Glasoberfläche nicht gut aus. Nicht umsonst haben die meisten Leute ein Handy mit extra festem Spezialglas. So verwundert es auch nicht, dass schon nach kurzer Zeit das Glas der Versuche, die bisher gestartet wurden, völlig verkratzt und milchig wurde.[:] Und das selbst dann, wenn nur Fußgänger darüber liefen.[:]
3. Das Wetter
Wir kennen sie alle, die kalten, nassen Winter mit glatten Straßen. Streusalz und Splitt sorgen bei uns jedes Jahr für etwas weniger Rutscherei beim Fahren. Auf der anderen Seite wissen wir auch, wie schnell das Salz-Wasser-Gemisch rostige Stellen am geliebten Auto verursacht. Wie toll klingt da die Idee von Solar Roadways einfach die Straße zu beheizen und so zu verhindern, dass sich eine rutschige Eis- oder Schneeschicht bildet.
Aus meiner Sicht klingt das absolut nicht toll. Straßen beheizen während die Klimakatastrophe vor der Tür wartet, ist eine absolute Verschwendung von wertvoller Energie. Zwar gibt es derartige Systeme bereits, zum Beispiel in Michigan, diese nutzen aber in der Regel Abwärme aus beispielsweise Kraftwerken.[:] Wirtschaftlich ist das ganz allerdings nur ganz bedingt, denn anderweitig nutzbare Energie ist gerade im Winter eine wertvolle Resource. So kann sich das nur lohnen, wenn die Energie, die das System verschlingt, sonst nicht genutzt worden wäre. Solange man allerdings Strom in das System zum Heizen geben muss, solange ist das sicher keine gute Idee.
4. Die Kosten
Aber Solar Roadways produziert doch selber Strom!!! Ja, aber nur, wenn die Sonne darauf scheint. Steht ein Auto darüber, gibts keinen Strom, beschattet ein Baum oder Mensch den Weg, gibts keinen Strom, liegt Schnee drauf, gibts keinen Strom, sind die Glasflächen verkratzt und milchig, gibts keinen Strom. Im Übrigen ist selbst bei optimalen Bedingungen die Ausbeute deutlich schlechter als bei jeder anderen Art von Installation. Nicht ohne Grund sind Solarpaneele in der Regel in einem entsprechenden Winkel zur Sonne montiert. So konnte die Testanlage in Frankreich nur einen Bruchteil, dessen an Strom produzieren, was ursprünglich angedacht war.[:]
Dem gegenüber stehen enorme Kosten für die ganze Anlage. In Frankreich ca. 4,5 Millionen € für einen Kilometer. Bei einer Testanlage in den USA für wenige Quadratmeter von Solar Roadways ca. 42.000 €. Diese haben dabei eine Kapazität von 1.529 KW. Damit sind die Kosten mehr als 20 Mal höher als bei normalen Solaranlagen. Doch es wird noch besser. Die eingebauten LEDs verbrauchen ca. 25% des produzierten Stroms und die Heizung würde dabei nach nur wenigen Tagen die gesamte Ausbeute an produziertem Strom verschlingen. Unter dem Strich ein Minusgeschäft.[:]

5. Das errichten
Einzelne Platten verlegen ist zudem auch einfach viel aufwändiger als mit großen Maschinen Beton oder Asphalt zu verarbeiten und so weite Strecken industriell fertigen zu können. Dabei ist die Dauer einer Baustelle ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor und noch längere Sperrungen will auch sicher niemand. Zudem können Straßen relativ einfach vor Ort ausgebessert werden. Das geht nicht, wenn gleichzeitig Strom- und Datenleitungen ausgetauscht werden müssen und ein Haufen Technik überprüft werden muss.
Techscam
So heißen derartige Ideen. Ideen, die das versuchen, was auch die FDP seit Jahren mit ihrer Klimapolitik versucht: Leute mit Versprechen locken, die modern, dem Erfindergeist entspringend und nach ganz viel Innovation klingen und all unsere Probleme lösen werden, ohne dass wir dafür etwas tun müssen. Technologie als Allheilmittel funktioniert aber eben nicht.
Statt Solarpaneele auf Straßen zu pflastern sollten wir viel lieber den Ausbau auf Dächern endlich mit genügend Nachdruck vorantreiben.
Es ist, als würde jemand einem erzählen, dass Ananas auf Pizza lecker sei. Mag auf den ersten Blick plausibel klingen, aber bei genauerer Betrachtung fällt einem dann doch auf: Das ist eindeutig ein Scam! Niemand kann das ernsthaft mögen! Und genau so ist das bei Techscam: Klingt erstmal nach einer tollen, innovativen Idee, aber dann fällt einem auf, dass das ganze eben nur gut klingt, es aber nicht ist.