Der Beitrag, der mich bis zu zwei Jahre ins Gefängnis bringen könnte
, wenn ich zum Beispiel ein Arzt wäre. Ganz abstrakt ist die Gefahr trotzdem auch für mich nicht. Die Lage ist weiterhin sehr undurchsichtig.

Es war eine politische Entscheidung. Eine politische Entscheidung, gestützt auf einer Sexualmoral aus dem düsteren Mittelalter. Damals, als CDU/CSU und SPD zusammen dafür sorgten, dass es weiterhin Frauen erschwert wird im Falle einer ungewollten Schwangerschaft Informationen zu Möglichkeiten, Kosten und Risiken von Schwangerschaftsabbrüchen zu finden. Ebenso wird die Suche nach Stellen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, erheblich verkompliziert.
Klar waren diverse religiöse Vereinigungen und konservative Verbände dafür, dass es weiterhin so schwer wie möglich ist, dass Frauen in derartigen Notsituationen weiterhin keine einfache Möglichkeit haben, sich zu informieren.1 Dort herrscht immer noch eine ideologisch geprägte Anspruchshaltung der Gesellschaft auf den Körper der Frau vor. Doch dazu schrieb ich bereits ausführlich in „Endlich sind Frauen in Deutschland gleichberechtigt!“.
Was ist passiert?
An der damaligen Kritik möchte ich weiter ausdrücklich festhalten. Und das ist auch weiterhin dringend nötig, denn erst diese Woche wurde der Nottulner Frauenarzt Detlef Merchel zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen in Höhe von je 150 Euro verurteilt, weil er auf seiner Webseite sachlich berichtet, dass er Schwangerschaftsabbrüche durchführt und wie genau diese ablaufen. Dazu stellte er auch eine ganze Reihe an anderen Kontaktmöglichkeiten zu anderen Arztpraxen und Informationsmöglichkeiten bereit.
So leitete Merchel seine Informationen mit einem Appell an die Leser:innen ein, in dem er zu bedenken gibt, dass auch das ungeborene Leben in ihnen ein Recht auf Leben hat. Anschließend folgen rechtliche Hinweise sowie Hinweise dazu, dass ein Schwangerschaftsabbruch in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Dann folgen Informationen zum Ablauf. So wird zum Beispiel der medikamentöse Abbruch mit dem Medikament Mifegyne genau beschrieben. Am Ende erfolgen dann Informationen dazu, wie ein operativer Abbruch durchgeführt wird.

Wie ist die Lage?
§ 218a StGB ist verfassungswidrig. Das ist schon lange bekannt und auch in seiner neuen Fassung hat sich das nicht geändert. Zu dem Ergebnis kommt auch Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, LL.M. der Leibniz Universität Hannover. In ihrem Rechtsgutachten für das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hat sie die Verfassungsmäßigkeit detailliert geprüft.3
Doch abgesehen von der absoluten Lustlosigkeit der aktuellen Bundesregierung zeigte sich schließlich bereits 2019, dass kein Interesse an echter Reformation der Lage und Selbstbestimmung der Frau besteht. Mit Leuten wie beispielsweise Armin Laschet und einem erzkonservativen im religiösen Wahn wie Laschets direktem Berater Nathanael Liminski im Hintergrund wird sich das auch zukünftig nicht ändern.4
Merchel habe mit den von ihm veröffentlichten Inhalten zum Schwangerschaftsabbruch gegen § 219a Strafgesetzbuch verstoßen, urteilte das Amtsgericht Coesfeld.2
Keiner macht einen Schwangerschaftsabbruch, weil da auf einmal ein tolles Angebot ist. Detlef Merchel nach seiner Verurteilung2
Doch dem Gericht bleibt leider aufgrund des § 219a StGB keine andere Möglichkeit als die Verurteilung.
Dabei ist der strafbare Rahmen äußerst weit und durch die offene Formulierung des § 219a StGB auch nicht eindeutig bestimmt. So reicht es, wenn ich hier auf dieser Webseite fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung hier verlinke. Daher könnte es bereits strafbar sein, wenn ich hier eine Liste von Ärztinnen und Ärzten, Kliniken und Einrichtungen verlinke, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Ebenso könnte es strafbar sein, dass ich oben erwähnte, dass dabei zum Beispiel unter anderem das Medikament Mifegyne zum Einsatz kommt.
Eine untragbare Situation
Fassen wir zusammen: Ein verfassungswidriges Gesetz führt zur Verurteilung eines Arztes, der lediglich objektiv aufklärte, um Patientinnen in einer Notsituation zu helfen. Ich hoffe sehr, dass Herr Merchel die Kraft hat das ganze weiter gerichtlich auszutragen.
Die jetzige Regierung hat bereits deutlich gezeigt, dass ihr weder das Grundgesetz, noch Frauenrechte am Herzen liegen. Ich hoffe für alle Frauen sehr, dass sich das bald ändert.
Quellen:
- So z.B.: Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch (https://www.kath-buero.de/files/Kath_theme/Stellungnahmen/2019/Stellungnahme_KB_zu%20Referentenentwurf_Paragraph_219a_StGB_2019_01_31.pdf)
- https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/abtreibung-frauenarzt-anklage-nottuln-100.html
- https://www.jura.uni-hannover.de/fileadmin/jura/Fakultaet/Professuren/Prof._Dr._Brosius-Gersdorf/Dokumente/2020-10-26-Der_Fall_Kristina_Haenel_Zur_Verfassungswidrigkeit_des____219a_StGB_Brosius-Gersdorf.pdf
- https://taz.de/Nathanael-Liminski-in-NRW/!5752330/