Endlich sind Frauen in Deutschland gleichberechtigt!
Frauen sind längst völlig gleichberechtigt. Wir können echt stolz auf uns hier im Westen sein. Das zumindest würde ich echt gerne an dieser Stelle schreiben können. Ein Blick ins Gesetz zeigt jedoch: Noch immer bestimmt eine kleine, hauptsächlich männliche Gruppe über den Körper der Frauen.

„Die Ehefrau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, daß sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen läßt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.“[:] So urteilte der BGH noch 1966. Längst vergangene Tage sollte man meinen.
„Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.“ so lautete § 177 StGB noch bis zum 15. Mai 1997. Entscheidend ist dabei das Wort „außerehelichen“. So war Vergewaltigung innerhalb der Ehe nicht nach § 177 StGB strafbar. Das fanden damals auch erstaunlich viele Leute gut so. So zum Beispiel ganze 136 Abgeordnete der CDU/CSU und FDP.[:]
„Das Schönste am Feminismus ist, dass wir Männer machen können, was wir wollen. Weil nicht mehr alles von uns abhängt. Man sollte uns das auch mehr ansehen.“[:] So schreibt Ulf Poschardt, Chefredakteur der Zeitung „Die Welt“ am 8. Februar 2020. Richtig verrückt! Ich dachte bisher, dass der Feminismus eine Bewegung ist, die das Ziel hat, Frauen die gleiche Stellung wie Männern in dieser Welt zu verschaffen.

Aber das ist inzwischen ja alles längst Vergangenheit und Leute wie Ulf Poschardt sind nur Einzelfälle. Rechtlich sind Frauen inzwischen natürlich völlig frei und selbstbestimmt. Denkste. Wir haben nicht nur gesellschaftlich noch einen weiten Weg vor uns, sondern auch rechtlich. Du glaubst mir nicht? Lies mal die §§ 218 ff. StGB durch! In diesen finden sich die strafrechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch.
Ein juristischer Blick
Besonders übel stößt dabei § 219a StGB auf. In diesem ist die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft geregelt. Was hier im ersten Absatz Werbung genannt wird, erfasst jedoch auch zum Beispiel das Informieren über derartige Eingriffe oder auch wenn ein Arzt sagt, dass er diese Eingriffe vornimmt. Dieser wurde zwar 2019 angepasst. So dürfen Ärzte das inzwischen, aber das Problem bleibt: Wer über Schwangerschaftsabbrüche informiert, der macht sich prinzipiell strafbar. Lediglich die Ausnahmen der Absätze II-IV retten eine Person, die über Schwangerschaftsabbrüche informiert, vor bis zu zwei Jahren Gefängnis. Zwei Jahre Gefängnis für Informationen. Eine Ausnahme in unserem Recht, aber eine, die schmerzt. So sind meistens nur Frauen überhaupt in der Situation, dass sie schwanger sein können. Daraus folgt, dass wir hier ein Gesetz haben, das hauptsächlich für Frauen gilt und scharf in die informationelle Selbstbestimmung dieser eingreift. Klar: Auch andere Personen haben ein Informationsinteresse, jedoch betrifft es nur die Schwangere direkt ganz höchstpersönlich, denn um ihren Körper geht es.
Es mag gerechtfertigt sein, dass Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verboten ist. Dies möchte ich hier nicht zum Thema machen und ich denke nicht, dass irgendein Arzt auf dieser Welt ernsthaft klassische Werbung dafür schalten würde. Der Unterschied zwischen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche und Informationen über diese ist gewaltig, wird durch dieses Gesetz aber als gleichwertig dargestellt. Wer informiert, der würde ja auch einen Anreiz setzten, eine Schwangerschaft abzubrechen.[:] Absoluter Schwachsinn. Das Hinzufügen des Absatzes IV, der eine Ausnahme für Informationen von Ärzten enthält, war ein wichtiger Schritt, um wenigstens Ärzten, Krankenhäusern und entsprechenden Einrichtungen einigermaßen Rechtssicherheit bei Informationen über derartige Eingriffe zu ermöglichen. Das war 2018 noch ein großes Thema, als die Gießener Medizinerin Kristina Hänel zu einer Strafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt wurde, nachdem sie über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte.[:] Meiner Ansicht nach gehört der § 219a StGB gänzlich abgeschafft. Ein Verbotstatbestand mit Ausnahmen ist das völlig falsche Signal. Grundsätzlich sollte jede Information über derartige Eingriffe selbstverständlich absolut legal sein und keine stark eingegrenzte Ausnahme vom Verbot. Daher Begrüße ich sehr, dass dies ebenso von dem demokratischen Teil der Opposition gesehen wird.[:]

Der Körper der Frau als Politikum
Man male sich aus, es würde derart hitzig über den Körper des Mannes diskutiert werden. Man stelle sich vor, der Körper des Mannes würde lediglich auf seine Funktionalität in der menschlichen Fortpflanzung auf diese Weise reduziert werden, wie es Frauen immer noch erleben müssen. Undenkbar. Das Thema zieht sich seit Generationen durch unsere Gesellschaft, doch die Schritte vorwärts sind quälend klein und jede Bewegung wird schmerzhaft ausgiebig diskutiert, ohne dass dabei die betroffene Hälfte der Menschheit überhaupt ansatzweise zahlenmäßig eine Chance hätte, in einer Abstimmung im Bundestag das Ruder herumzureißen.[:] Selbstverständlich treten viele Männer auch als Vertreter der Frauen in Deutschland im Bundestag auf, aber inwiefern ein Mann überhaupt bei diesem Thema ein Stimmrecht verdient, das kann definitiv diskutiert werden.
Was bleibt zu sagen?
Diese Zustände waren und sind meiner Ansicht nach eines aufgeklärten, modernen Landes nicht würdig. Der Körper der Frau darf nicht länger Objekt der Herrschaft eines weit überwiegend männlichen Bundestages sein. Bei der Reform handelte es sich mal wieder lediglich um einen äußerst faulen Kompromiss der reaktionären Kräfte des Bundestages, um der damals präsenten öffentlichen Debatte etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Augenwischerei meiner Meinung nach, denn das Problem bleibt: Männer meinen, aus dem Körper der Frau ein Objekt ihrer Herrschaft machen zu dürfen. Die Zitate am Anfang dieses Beitrages scheinen völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Die Realität zeigt aber: Leider nicht so sehr, wie wir es uns wünschen. Zwar hat sich in den letzten 60 Jahren sicher viel getan, aber noch lange nicht genug. Gerade wenn es um die Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper geht, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Wir brauchen endlich einen echten gesellschaftlichen Wandel hin zur vollständigen Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau in wirklich allen Bereichen.