Viel Wasser und noch mehr Geheuchel
Bayern unter Wasser und Söder ausnahmsweise nicht im Bierzelt. Es wird geheuchelt, als gäbe es kein Morgen, während Existenzen von den Wassermassen vernichtet werden.

Die Liveticker glühen, die Ereignisse überschlagen sich. Im ganzen Süden Deutschlands sind viele mutige Helfer Tag und Nacht im Einsatz, um das Schlimmste zu verhindern. Besonders betroffen macht mich die Nachricht, dass in Pfaffenhofen an der Ilm in Oberbayern dabei sogar ein Feuerwehrkamerad bei einer Rettungsaktion ums Leben kam.[:]
Vizekanzler Habeck (Grüne) besuchte am Sonntag zusammen mit Söder (CSU) das Hochwassergebiet im oberbayerischen Reichertshofen. Die Bilder sprechen für sich. Meterhoch steht das Wasser in den Straßen, braune Fluten wälzen sich durch die Straßenzüge des beschaulichen Manching. Wo einst spießige Metallfiguren und lachende Gartenzwerge die Vorgärten zierten, breitet sich jetzt ein Meer aus braunem, schlammigem Wasser aus. Die Natur, so scheint es, wehrt sich gegen den parasitären Befall durch Homo Sapiens.
Und dann auch das noch!
Als sei das durch die Fluten verursachte Chaos noch nicht genug, müssen die Menschen nun auch noch Markus Söder, bekannter Bierzeltredner und bekennender Alkoholiker, in ihren Straßen ertragen. Wenn man den Keller voller Wasser hat und die schlammige Brühe gerade das Klavier aus dem Wohnzimmer spült, dann hat man sicher Lust auf Besuch desjenigen, der daran Mitschuld trägt.
Ein Drama in drei Akten
1. Akt
Wir schreiben das Jahr 2018. Das Kabinett Söder II kam am 6. November 2018 als die 27. Staatsregierung des Freistaates Bayern an die Macht. Söder regiert hier zusammen mit den Freien Wählern unter Hubert Aiwanger (oder seinem Bruder... wer weiß das schon). Entlang der Donau breiteten sich zu dieser Zeit Vorbehalte der Anwohner gegen den Bau von sogenannten Flutpoldern aus. Das sind riesige Wasserrückhaltebecken, die normalerweise trocken liegen und begrünt sind. Wenig später macht die bayerische Regierung bayerische Regierungssachen und streicht viele der geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen. Ein Geschenk an Vertraute von Hubert Aiwanger, die dort in den Landkreisen regieren.[:] Es geht um (kurzfristige) Wählerstimmen. Nicht mal Gutachten dazu wurden eingeholt. Aiwanger schimpfte über Kommunalpolitiker, die die Streichung der Flutpoldern kritisierten. „Die Landräte streuen den Leuten mit ihren Befürchtungen ohne Fakten Sand in die Augen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. Die Verfasser würden „Fake News“ verbreiten.[:] Jetzt sind diese Fake-News dummerweise in den Kellern der Menschen vor Ort. Es wurde agiert, nicht regiert. Eigene Vorteile stehen über dem Wohl von Bayern. Typisch CSU und Freie Wähler eben, jawoll und Prost!
Zehn bis zwanzig Millionen Euro fehlen.[:] Bayern gab das Geld lieber für Prestigeprojekte aus, betrieb Vetternwirtschaft in Millionenhöhe[:] und sorgt nebenbei für zweifelhafte, aber lukrative Verstrickungen von Frau Söder.[:] Nicht, dass Familie Söder das nötig hätte. Man ist mindestens Millionär.[:] Als solche ist Umweltschutz oder Hochwasserschutz egal. Was ist schon ein Schaden von einigen Hunderttausenden an einem Haus, wenn man derer mehrere im Bestand hat und das Konto bis oben hin voll ist. Allen anderen hilft der Staat, oder? ODER?
2. Akt
Die Welt titelte heute „Als das Hochwasser-Opfer in Tränen ausbricht, fragt Söder: ‚Sind Sie versichert?‘“[:]
Feinfühlig und wie der durchschnittliche Wiesenbesucher nach der vierten Maß gehopften Gerstensaftes verhöhnt Söder hier Menschen, die gerade alles verloren haben. Dabei heuchelt er Anteilnahme vor. Die Frage ist aber an sich durchaus berechtigt. Zum 1. Juli 2019 hat Bayern nämlich beschlossen, Opfern von Naturgefahren keine Soforthilfe mehr zu gewähren, falls die Schäden versicherbar gewesen wären.[:] Also in diesem Fall nahezu alle Schäden durch das Hochwasser. Tja, Pech du heulende Geringverdieneropferfrau! Selbst Schuld, dass du nicht selbst ein Regenrückhaltebecken gebaut hast. Dafür ist doch nicht der (Bierzelt-)König Söder zuständig.
3. Akt
Aber der Bund. Findet zumindest unser Hopfensommelier.[:] Warum auch immer der Bund dafür jetzt zuständig sein soll. Hochwasserschutz ist in erster Linie Ländersache.[:] Söder findet Dinge wie eine Magnetschwebebahn in Nürnberg wichtiger als Hochwasserschutz,[:] warum sollte dafür der Rest Deutschlands zahlen?
Söder selbst genehmigte sich übrigens schlappe 7,3 Millionen Euro für Werbezwecke für, genau, sich selbst.[:]
Bayern ist nicht Söder, aber Söder ist ein bayerisches Problem
Deutschland wird zusammenstehen. Bereits jetzt sind Soldaten der Bundeswehr, Feuerwehrkameraden und Rettungsdienstler aus ganz Deutschland in Bayern und helfen, wo sie können. Die Solidarität ist unglaublich groß. Es wird einander geholfen und Grüne sowie SPD sind bereits dran, dass den Menschen in den Hochwassergebieten auch finanziell Unterstützung zukommt.[:] Die meisten Menschen in Bayern sind gerade füreinander da und stehen denen, die durch die Flut vieles verloren haben, bei. Söder ist nicht Bayern.
Man hat sich in Bayern verkalkuliert.[:] Das rächt sich jetzt bitter. Schuld daran ist zu einem großen Teil auch Markus Söder und dieser Markus Söder ist ein Format eines Politikers, das nur in Bayern funktionieren kann. Ein Umdenken in der Politik ist nötig. Das wird aber nicht unter der derzeitigen Landesregierung passieren. Die Freien Wähler haben nämlich bereits die Ursache der Katastrophe gefunden. Laut Aiwanger sind es Vogelschützer.[:] Tja. Jetzt bin ich sprachlos.
P.S. Dieser Beitrag hat absichtlich keine Bildelemente. Das Leid der Menschen, die alles verloren haben, möchte ich nicht für sanfte Kritik an Söder und Aiwanger nutzen.