Schmutz! Wir brauchen mehr Schmutz!
Das zumindest scheint das Motto dieses Wahlkampfes zu sein. Schade. Man könnte ja auch die Zeit nutzen und dem Bürger nahebringen, wie man die Zukunft des Landes gestalten will, aber das wäre ja zu offensichtlich.

Baerbock soll abgeschrieben haben! So verkündete es unter anderem die Tagesschau prominent zwischen den letzten Fußballübertragungen. Doch was ist dran an den Vorwürfen? Und warum ist der Wahlkampf dieses Mal so unglaublich schmutzig?
Das Buch
Der „Plagiatsjäger“ Stefan Weber wirft der Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor, in ihrem Buch „Jetzt“ plagiiert (Ja, das Wort gibt es tatsächlich)[:] zu haben. Dran an den Vorwürfen ist wenig. So ist es nicht nur absolut unüblich, dass in Populärliteratur zitiert wird, sondern auch der Vorwurf, dass es sich um Plagiate handeln würde zerstreut sich schnell im Wind. Diebstahl geistigen Eigentums ist hier nämlich gar nicht geschehen. Konkret geht es um insgesamt fünf Stellen:
- Eine Passage, die von Michael T. Klare aus dem Beitrag „Kriegstreiber Klimawandel“ übernommen wurde,
- eine Passage aus dem Blog „Klimawandel – Challenge Accepted!“ des Verbands „co2ncept plus - Verband der Wirtschaft für Emissionshandel und Klimaschutz e. V.“,
- eine Passage aus einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung,
- eine Passage aus dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und
- eine Passage aus Wikipedia.[:]
Fünf Passagen, alle offen zugänglich und alle weit entfernt von einer Urheberrechtsverletzung. Doch wer ist der Mann, der hinter den Vorwürfen steht? Stefan Weber ist ein österreichischer Blogger, der gerne mal mit der neu-rechten Szene zusammen arbeitet.[:] Seit Wochen bereits fährt er eine Schmutzkampagne gegen Baerbock. Etwas, womit man leider heutzutage als Politiker:in rechnen muss. Nur die Vorwürfe Webers sind an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Plagiat oder Urheberrechtsverletzung?
Zuerst stellt sich dabei die Frage, ob hier ein Plagiat oder sogar eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Nun, Weber ist lediglich Kommunikationswissenschaftler, kein Jurist. Es ist schön, wenn er behauptet, dass eine Urheberrechtsverletzung vorliegen würde. Er hat dabei allerdings ungefähr die gleiche Kompetenz bezüglich der rechtlichen Einordnung wie ich, wenn ich einem Bauarbeiter erklären würde, wie dieser die Wand hochzuziehen hat.
So lässt sich dieser Vorwurf sehr leicht entkräften. All diese Passagen[:] enthalten im Wesentlichen keine großartigen neuen Erkenntnisse oder sind sonst wie außergewöhnlich. Die Informationen, die die Passagen enthalten, finden sich an tausend anderen Stellen in verschiedensten Quellen ebenso wieder. Kurz gesagt: Sie sind absolut unwesentlich für das Buch von Baerbock. Dafür gibts sogar extra den § 57 UrhG, der solches unwesentliches Beiwerk aus der normalen Mechanik des Urheberrechts ausnimmt. Auch für ein echtes Plagiat sind diese unwesentlichen Absätze wohl lange nicht ausreichend. Also alles nur heiße Luft.
Mein Blog
Das ist auch gut so, denn sonst wäre auch mein Blog nicht möglich. Ich recherchiere viel für die Artikel und gebe mir Mühe, dass meine Gedankengänge und Inhalte nachvollziehbar sind. Auch wenn viele meiner Leser:innen durchaus immer wieder auch kritisch auf mich zukommen (sehr gerne über das Kontaktformular unten rechts), bekomme ich meist das Feedback, dass meine Überlegungen gut nachvollziehbar sind und die Informationen, die diesen zugrunde liegen, gut belegt sind.
Trotzdem kann es immer passieren, dass ich unbewusst kleine Teile, Formulierungen, Gedanken und Ähnliches aus irgendeiner der Quellen, die ich vorher gelesen habe, mit verwende, ohne dass diese am Ende korrekt aufgelistet wird. Vor den rechtlichen Folgen daraus schützt mich § 57 UrhG.
Ein Haufen Schmutz
Das ist, was dieser Wahlkampf für mich bisher vor allem war. Inhalte haben wir weniger erlebt, dafür aber einen Haufen Plattitüden: Erneuerung will die Union schaffen. Klimaschutz auch, aber ohne Einschnitte irgendwo. Steuern senken, aber keine neuen Schulden und trotzdem Milliarden investieren. Für mich klingt das unseriös.
Das Grüne Wahlprogramm hingegen ist ehrlich. Es sagt klar, dass die Zukunft nicht billig wird und es sagt auch klar, dass es Veränderungen geben muss. Natürlich gefällt das vielen nicht. Man sitzt doch seit vielen Jahrzehnten an Ort und Stelle und hat inzwischen eine panische Angst vor Neuem entwickelt. Aber jedem muss klar werden: Es geht so nicht weiter. Ob wir wollen oder nicht.
Doch leider scheinen mache andere Parteien die Gefahr vor allem darin zu sehen, dass sie ihre bisherige Machtposition verlieren. Ideen gibt es keine, aber Angst gibt es. Und genau diese Angst führt zu einem Haufen Schmutz, den man wirft. Für die Zukunft meines demokratischen Landes wünsche ich mir aber etwas anderes. Ich wünsche mir konstruktive Diskurse und spannende Debatten. Ich wünsche mir Ideen und Konzepte und Fakten als Grundlage.

Die wahre Gefahr
Wenn nicht wir auf E-Mobilität umsteigen (Und ja, das schaffen die Stromnetze locker, und ja, das heißt, dass wir mehr erneuerbare Energien brauchen und nein, E-Autos sind nicht schlimmer als Verbrenner und sie fördern auch keine Kinderarbeit. Dazu kommt sicher bald mal ein Beitrag.), dann machen es die Amerikaner oder Asiaten vor uns. Vielleicht lässt ja dann eine chinesische Firma Kinderspielzeug im neuen Billiglohnland ohne Hochtechnologie herstellen. Und das Schicksal blüht nicht nur der deutschen Automobilindustrie, sondern jedem Industriesektor.
Mir kann das ja egal sein. Juristen und Informatiker werden weiterhin gut bezahlt werden, aber jeder der vielen exzellent ausgebildeten Arbeiter bei uns im Land muss wirklich angst vor einem „weiter so“ haben. Diese Arbeitsplätze sind in Gefahr. Diese Arbeitsplätze drohen in Deutschland komplett wegzufallen. Es ist nicht Gefahr des Verlusts der jetzigen konkreten Jobs in den konkreten Unternehmen, die Angst machen sollte. Viele Unternehmen haben sich leider in der Vergangenheit auf ihren Erfolgen ausgeruht und wenig Innovationskraft gezeigt.
Es ist die Gefahr des Verlustes des gesamten gut bezahlten Industriesektors in Deutschland, die wirklich Sorgen machen sollte. Es ist die konkrete Gefahr, dass Deutschland seinen Platz als Hightech-Nation und Innovator in der Welt endgültig verliert und zu der neuen billigen Produktionsstätte der neuen Hightech-Nationen wie China wird. Wir müssen nicht nur auf die nächsten zehn Jahre schauen, sondern auf die nächsten 100. Und dafür haben bisher wenige Parteien echte Ideen und Konzepte vorgelegt.