Ein seelenloser Ort: Dubai
Modernität und architektonische Wunder, das schillernde Leben der Influencer und orientalische Träume, das verspricht Dubai. Doch nicht alles, was glänzt, ist auch Gold.

Potemkinsches Dorf
Dubai präsentiert sich als eine Stadt der Superlative: Der Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt; die Palm Jumeirah, eine künstliche Insel in Form einer Palme; und die Dubai Mall, eines der größten Einkaufszentren weltweit. Aus dem Wüstenboden gestampft, sind diese Bauwerke ständiger Teil der Selbstinszenierung unzähliger Influencer. Auf den ersten Blick klingt das auch alles tatsächlich beeindruckend. Dahinter steckt aber nicht viel. Dubai gleicht mehr einem Themenpark als einer echten Stadt – ein Ort, an dem Authentizität durch glänzende Oberflächen ersetzt wurde und das nicht mal gut.
Zwischen Wüstensand und Meer türmen sich einige durchaus beeindruckende Wolkenkratzer in eng umgrenzen Vierteln. Dazwischen: Nichts. Jeder Weg, der von den „Attraktionen“ wegführt, führt entweder in menschenleere Straßen voller gläserner Fassaden oder in Viertel, in denen nichts mehr von der angeblich modernen Stadt zu sehen ist. Typischer arabischer Baustil mit 70er Jahre Charme offenbart die andere Seite Dubais. Hier wird auch deutlich sichtbar, dass 85 Prozent der Einwohner Dubais aus dem Ausland stammen.[:] So sind die Straßen von indischen und pakistanischen Restaurants geprägt, die etwas zu authentisch wirken. Dazwischen Supermärkte und Kleidergeschäfte mit 100 Prozent Originalware.
Eine Stadt erfindet ihre Geschichte
Dubai hat Öl, Sand und Meer. Was Dubai aber völlig fehlt, das ist eine lebendige kulturelle Identität und das Verständnis dafür, was Kultur überhaupt ausmacht. Das verzweifelte Streben danach, aus einer Kombination aus Geld und strengem Islam den Traum aus 1001 Nacht zu schaffen, wirkt dabei recht traurig, denn das Gefühl, welches wohl jeden interessierten Touristen in Städten wie Istanbul oder Kairo in eine fremde Welt eintauchen lässt, schafft Dubai nicht zu erzeugen. Kommerz und Größenwahn sind dort Synonyme für Sehenswürdig und der Islam für sich synonym für Identität.
Dabei ist es mitnichten so, dass Dubai keine Geschichte oder Kultur hatte. Vielmehr wurde Dubais beduinische Vergangenheit gezielt ausradiert, bis nichts mehr von ihr übrig blieb. Spuren dieser Geschichte und Kultur finden sich heute nicht mehr zwischen den gläsernen Hochhäusern und breiten Autobahnen, die das Zentrum prägen.
Außerhalb des Zentrums, bei den „historischen“ Märkten, den sogenannten Souks, die sich in Dubais Altstadt befinden, sollen sich Reste dieser ursprünglich vielfältigen und interessanten Kultur finden. Berühmt ist vor allem der Deira Gold Souk. Eine Straße, bekannt für ihre vielen Goldhändler. Doch auch hier sucht man vergeblich nach historischem Charme. Stattdessen findet man sich in einem Gedränge aus Touristen, aufdringlichen Händlern und Taschendieben wieder – eine unerfreuliche Erfahrung ohne kulturelle oder historische Tiefe.
Highlight in der Altstadt ist die Überfahrt über den Dubai Creek und das Viertel Al Seef, welches sich am Ufer des Dubai Creek entlangzieht. Hier manifestiert sich das offizielle Narrativ, Dubais Geschichte sei die einer Transformation vom Beduinendorf zur globalen Metropole. Die Wahrheit ist aber, Al Seef hat ungefähr dieselbe Authentizität, Kultur und Historie wie die Kulissen in einem Freizeitpark. Moderner Stahlbeton mit schön gestalteter Fassade soll aussehen wie die Lehmhäuser, die hier einst standen. Obwohl Al Seef ein schöner Teil Dubais zum Bummeln ist, kommt auch hier leider kein Gefühl von 1001 Nacht auf.

Die Illusion des Überflusses
Dubai präsentiert sich als Oase des Wohlstands, der Hochtechnologie und des grenzenlosen Konsums inmitten der Weiten der Wüste. Von der Realität möchten die meisten Touristen und Einheimischen aber nichts wissen. Die Stadt zelebriert den Überfluss in einer Region, die von Wasserknappheit geprägt ist, und importiert nahezu alles, was zum Leben benötigt wird. Selbst das Trinkwasser stammt größtenteils aus energieintensiven Entsalzungsanlagen und wird anschließend künstlich mineralisiert. Besonders merklich wird das beim Leitungswasser. Es riecht nach Chlor und schmeckt seltsam künstlich, fast wie Freibadwasser, ist aber vorgeblich unbedenklich trinkbar.
Das überdimensionierte Einkaufszentrum im Herzen der Stadt, die „Dubai Mall“. Ist das, was in anderen Städten die Innenstadt wäre. Hier wird flaniert und in denen zahlreichen Geschäften aller möglichen Marken versucht, Ware an die Menschen zu bringen. Eine Welt ohne Grenzen, so lautet es überall auf großen Plakaten. Doch dieser inszenierte Überfluss steht in krassem Kontrast zur ökologischen und ökonomischen Realität. Die klimatisierten Innenräume, die vor der sengenden Hitze schützen, verschlingen enorme Energiemengen und tragen zum ökologischen Fußabdruck der Stadt bei, der zu den höchsten weltweit zählt.
Besonders deutlich wird die Absurdität an Orten wie Ski Dubai. Hier wurde mitten in der Wüste eine künstliche Winterlandschaft geschaffen. Während draußen Temperaturen von über 40 Grad herrschen, gleiten Touristen auf künstlichem Schnee die Pisten hinab. Diese Demonstrationen von fehlendem Verantwortungsbewusstsein offenbaren gleichzeitig die Hybris einer Stadt, die von sich behauptet, es gäbe das Wort „unmöglich“ dort nicht.
Die Illusion des Überflusses wird auch durch ein Heer von Gastarbeitern ermöglicht, die unter oft prekären Bedingungen leben und arbeiten und nicht selten Opfer moderner Sklaverei werden.[:] Sie bleiben für die meisten Besucher, die sich nicht aus dem Zentrum um die Dubai Mall und den Burj Khalifa herausbewegen, unsichtbar, sind aber das Fundament, auf dem die gläsernen und goldenen Fassade Dubais errichtet wurde.
Doch nicht nur Sklaverei versteckt sich hinter den Fassaden, sondern auch eine Menge gescheiterter Großprojekte.[:] Der 64-stöckige Al Hikma Tower steht seit 2012 nahezu fertiggestellt, aber ungenutzt da, während der einst als London Crown Tower bekannte Koloss seit 2009 auf seine Vollendung wartet. Besonders ambitioniert war das Dubai Creek Tower Projekt, das den Burj Khalifa als höchstes Bauwerk der Welt ablösen sollte. Nach Fundamentarbeiten wurde es jedoch 2018 stillgelegt und liegt seither als verlassene Baugrube in der Wüste. Noch deutlicher wird das Scheitern großer Visionen bei den künstlichen Inselarchipelen. Die „World Islands“, 300 kleine künstliche Inseln in Form einer Weltkarte, wurden nach der Finanzkrise 2007-2008 weitgehend aufgegeben. Trotz vollmundiger Ankündigungen ist bis 2025 nur eine einzige Insel, Lebanon Island, tatsächlich entwickelt worden. Auch die Dubai Islands (früher Palm Deira) und die meisten anderen Inselprojekte liegen brach, kämpfen mit Erosion und sinken teilweise zurück ins Meer.[:]
Die Mahnmale des Scheiterns Dubais begrüßen nun anfliegende Touristen als undefinierbare Flecken im Ozean. Eine Umweltkatastrophe! Durch die künstlich verlängerte Küste erwärmt sich der Ozean rund um die Inseln unnatürlich stark. Strömungen entlang der Küste werden blockiert und der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt. Die Folge: Wasser der vermeintlichen Luxusinsel in Palmenform ist nicht glasklar blau, sondern voller Algen und daher grün. Gleichzeitig wurden, um den nötigen Sand zu beschaffen, große Flächen des Meeres abgebaggert und damit maritimes Leben in gigantischem Ausmaß nachhaltig zerstört.[:] Der Überfluss der Stadt ist im Kern nur eines. Eine sorgfältig inszenierte Kulisse der Rücksichtslosigkeit.
Propaganda
Dubai hat ein ausgeklügeltes System der Imagepflege und Propaganda entwickelt, das weit über konventionelles Stadtmarketing hinausgeht. Im Zentrum steht eine staatlich gelenkte Medienstrategie, die das Emirat als Luxusparadies, Handels-, Technologie- und Umweltzentrum der Welt und globale Erfolgsgeschichte inszeniert. Besonders auffällig ist die Kontrolle über Medienproduktionen: Die Dubai Film and TV Commission (DFTC) überwacht streng alle Inhalte, die in Dubai entstehen und verlangt Zugriff auf Rohmaterial und Drehpläne, um sicherzustellen, dass das Emirat ausschließlich positiv dargestellt wird. Für wohlwollende Darstellungen werden Rabatte und Vergünstigungen gewährt, wie etwa bei der Produktion von „Deutschland sucht den Superstar“, die für ihre Dubai-freundliche Berichterstattung finanziell belohnt wurde.[:]
Wichtig für gute Propaganda ist auch ständiger Brainrot[:] durch Internationale Influencer. Diese werden systematisch eingebunden, um das Image Dubais als Sehnsuchtsort zu verbreiten. Diese Strategie wird durch die Zusammenarbeit mit Prominenten aus der Film- und Musikindustrie verstärkt, wodurch Dubai sowohl als Luxusdestination als auch als zugängliches Reiseziel in den Köpfen der hierfür empfänglichen Menschen etabliert ist.
Bemerkenswert gelungen ist auch die gezielte Ausblendung kritischer Aspekte: Während die glitzernde Skyline und luxuriöse Shoppingmalls in den Vordergrund gerückt werden, bleiben die prekären Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter, die unfassbare Umweltverschmutzung, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und die fehlende Meinungsfreiheit meist unerwähnt.[:] Selbst deutsche Fernsehsender wie RTL, ProSieben und Sat.1 tragen mit unkritischen Formaten wie "Dubai Diaries" oder Auswanderer-Dokumentationen zur Verbreitung des idealisierten Dubai-Bildes bei. Diese systematische Propaganda hat dazu geführt, dass Dubai trotz seiner autoritären Strukturen und sozialen Probleme international als Erfolgsmodell und erstrebenswertes Reiseziel wahrgenommen wird.
Scam City
Ein seriöses Hightech-Image und wenig staatliche Kontrolle führten schnell dazu, dass die Emirate, besonders Dubai, Anziehungspunkt für allerlei Kriminelle wurden. In kaum einem andren Gebiet weltweit haben sich so viele zwielichtige Unternehmen angesiedelt wie in Dubai. Die Briefkästen sind schnell gebucht, das Unternehmen in Minuten online registriert und eine Kontrolle findet quasi nicht statt. So macht das Eröffnen des eigenen Fake-Shops oder neuer toller Investmentplattformen gleich doppelt Spaß.
Auf meinem Kanzleiblog (https://kanzlei-oezdag.de/blog/dubai-zentrum-fuer-fake-shops-und-online-scams/) habe ich dazu bereits geschrieben.
Menschenrechte
Das Emirat präsentiert sich gerne als weltoffene, moderne Metropole. Eine weitere Inszenierung, die gerne kritiklos geschluckt wird.
Besonders die Situation von Frauen offenbart die tiefe Kluft zwischen Propaganda und Wirklichkeit. Obwohl Touristinnen in Stringbikinis an Hotelstränden liegen dürfen und OnlyFans-Models fleißig Content produzieren, unterliegen einheimische Frauen weiterhin dem patriarchalen Vormundschaftssystem. Sie benötigen für viele Lebensentscheidungen die Zustimmung eines männlichen Vormunds, sei es für Heirat, Studium oder bestimmte berufliche Entscheidungen. Vergewaltigungsopfer riskieren Strafverfolgung wegen „außerehelichen Geschlechtsverkehrs“, wenn sie Anzeige erstatten – ein perverses System, das Täter schützt und Opfer kriminalisiert.
Für die Elite und Herrschenden scheinen besondere Regeln zu gelten. Besonders auffällig sind die Berichte über hochrangige Persönlichkeiten, die regelmäßig ekelhafte Orgien organisieren würden. Diese Sexpartys der Herrschenden stehen in starkem Kontrast zum öffentlichen Bild Dubais und den strengen Gesetzen, die für normale Bürger und Touristen gelten, wie der Fall eines britischen Teenagers zeigt, der wegen einer Beziehung zu einer 17-Jährigen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde.[:]
Noch düsterer gestaltet sich die Lage für homosexuelle Menschen. Homosexualität ist in Dubai nicht nur gesellschaftlich stigmatisiert, sondern auch strafrechtlich verboten. Auf gleichgeschlechtliche Handlungen stehen Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren, und in extremen Fällen droht sogar die Todesstrafe nach islamischem Recht. Die vermeintliche Toleranz, die Dubai gegenüber westlichen Touristen zeigt, ist lediglich eine weitere inszenierte Fassade für den Tourismus. Hinter verschlossenen Türen werden LGBTQ+-Personen systematisch verfolgt, verhaftet und misshandelt. Besonders perfide ist die Praxis, Dating-Apps als Fallen zu nutzen: Sicherheitsbehörden erstellen gefälschte Profile, um homosexuelle Männer zu identifizieren und festzunehmen.[:]
Diese staatlich organisierte Verfolgung steht in krassem Kontrast zum sorgfältig gepflegten Image einer modernen, weltoffenen Stadt. Während Dubai seine architektonischen Wunderwerke feiert, fehlt die Anerkennung grundlegender Menschenrechte. Nicht umsonst warnt sogar das auswärtige Amt.[:]
Ein Ort ohne Seele
Seien es die tollen Bücher des Scheichs und verurteilten Straftäters[:] Muhammad bin Raschid Al Maktum, mit tollen Titeln wie „The Sheikh CEO“ oder „Reflections on Happiness and Positivity“, die neben dem Koran die einzigen in Dubai angepriesenen Bücher sind oder die Sprüche und Plakate überall („Du bist im Land von 1001 Nacht“, „In Dubai gibt es das Wort ‚unmöglich‘ nicht“, „Der Scheich erbaute ein Paradies für seine Untertanen“), es reicht alles nicht aus, um über die Realität hinwegzutäuschen. Dubai ist nicht mehr als ein großer Freizeitpark für Influencer und Leute, die auf Instagram ihren tollen Lifestyle präsentieren müssen.
Für solche Menschen, die gierig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung sich selbst durch Präsentieren vom vermeintlichem Luxusselbst definieren müssen, für die ist Dubai der perfekte Ort. Wer jedoch mehr als das sucht, der wird in Dubai nichts finden, was ihn erfüllt.