Heute mal Oppositionelle prügeln
Immer diese blöde demokratische Opposition. Nervt einfach, wenn die eine Meinung hat und mal auf die Straße geht. Gut, dass da mal jemand was macht!

Ich spazierte mal wieder durch Istanbul. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und die Polizei prügelte Oppositionelle. Halt, warte! Was war das? Oppositionelle prügeln? Echt jetzt?
Ich spazierte also an einem schönen, sonnigen Tag durch Istanbul. Normales Viertel, viele Leute auf der Straße. Es war ungewöhnlich viel Poliziei vor Ort, aber das ist oft der Fall. Die Türkei ist ein Polizeistaat, der gerne zeigt, was er hat und das sind viele, viele Polizisten mit Maschinengewehren (z.B. Ak-47), Waffen mit Gummigeschossen und Tränengasgranatwerfer.
Ich spazierte also fröhlich vor mich her als plötzlich, ungefähr 200 Meter vor mir, wie aus dem Nichts Flaggen der Türkischen Oppositionspartei „Türkiye İşçi Partisi“, zu Deutsch etwa „Arbeiterpartei der Türkei“, auftauchten. Laut skandierten die ungefähr 40 Demonstranten, dass doch der nette Herr Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach den katastrophalen Enthüllungen über Korruption und schlechten Versorgung der Erdbebengebiete netterweise zurücktreten möge.

Dies gefiel dem Präsidenten, der durch Böhmermann einst mit „Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken [...]“ [:] beschrieben wurde, gar nicht. Und so tat er genau das, was Böhmermann beschrieb. Also das Zweite. Das mit den Minderheiten unterdrücken. Und wie das nun mal so ist in einer Diktatur ist die Opposition per Definition eine Minderheit, die definitiv nicht nur mit defensivem Diskurs, sondern vielmehr mit roher Staatsgewalt unterdrückt werden will.
Es dauerte also nicht lange und da kamen aus jeder Richtung Gruppen von acht bis zehn Mann angestürmt, nach wenigen Minuten waren es locker 50-60 Mann, wie oben beschrieben bewaffnet und mit großen Kunststoffschilden den Weg bahnend. Ein Teil der Gruppe bildete mit den Schilden und Gummiknüppeln bewaffnet eine Mauer um die Gruppe von Demonstranten und schirmte diese vor den Blicken der Menschen ab. Zwischenzeitlich fuhren bereits einige Busse voller weiterer Polizisten heran. Der Rest der Polizei stürmte in die Mitte der friedlich ihre Meinung kund tuenden Menschen. Was dort geschah, lässt sich nur erahnen. Es waren für einige Minuten Schmerzensschreie und lauter Protest zu hören. Dann folgte Stille. Menschen wurden in die Busse geschleppt. Als diese dann wegfuhren, war der Platz in der Mitte der Polizisten quasi leer.

Ich war in ausreichendem Abstand geblieben. Hatte versucht, alles zu verfolgen. Dann ging ich weiter. Jedoch blieb ein unbeschreiblich schreckliches Gefühl noch viele Stunden. Dies war auch nicht der einzige derartige Vorfall an diesem Tag. Es folgten noch zwei weitere kleine Demos ohne Fahnen. Gleiches Thema. Auch diese wurden in wenigen Minuten nieder geprügelt. In Deutschland jammern Spinner darüber in einer Diktatur zu leben, weil jemand sagt, dass Rassismus echt uncool ist und hier... Hier wird man für eine legitime Meinung zusammengeschlagen und dann verschleppt. Der Unterschied mag nur Wesen mit mindestens durchschnittlichem Intellekt auffallen, aber er ist da. Ich habe noch nie so sehr gespürt, was Diktatur heißt. Doch ich bin bald wieder in Deutschland. Doch für die Menschen hier geht die Unterdrückung weiter.