Der Unionssumpf
Schon lange wird in Deutschland ein Lobbyregister gefordert. Passiert ist bisher nichts. Jetzt häufen sich Anschuldigungen gegen Unionsabgeordnete. Ein wahrer Sumpf an Vorteilnahme und Lobbyismus fliegt derzeit der Union um die Ohren.

Die Union steht derzeit massiv in Kritik, nachdem bekannt wurde, dass Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) in dubiose Deals mit Masken während der Corona-Pandemie verstrickt waren. Doch das ist nur ein Bruchteil des ganzen Sumpfes aus Vorteilnahme und Lobbyismus, in dem die Union steckt.
Was war geschehen?
Fall I
Alles begann mit der Pandemie. Die Preise für medizinische Schutzmasken stiegen rasant an, die Regale in den Supermärkten waren längst leer. Selbst in Apotheken waren OP-Masken Mangelware. Diese Gunst der Stunde nutzen diese beiden Herren und vermittelten Anbietern und Produzenten von Masken entsprechende Abnehmer. Dafür kassierten beide eine ordentliche Provision. Im Fall von Nikolas Löbel 250.000 € und Georg Nüßlein soll ganze 600.000 € kassiert haben. Gegen ihn wird auch wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer ermittelt. Alfred Sauter (CSU) steht zeitgleich mit in der Kritik. Der Jurist und Ex-Justizminister Bayerns hatte die Verträge für seinen Parteifreund ausgearbeitet.[:]
Eine Frage steht jetzt natürlich im Raum: Haben diese Unionspolitiker die Not der Menschen in der Krise ausgenutzt? Ich denke, diese Frage muss leider mit Ja beantwortet werden. Diese Geschäfte zu diesen Summen mit derart hohen Provisionen waren erst durch die Pandemie möglich. Erst Corona ließ die Preise um einige Hundert Prozent zum Preis vor der Krise steigen. Und die Provisionen werden selbstverständlich im Endpreis eingerechnet.[:]
Zwar sind Abgeordneten gemäß § 44a des Abgeordnetengesetzes Nebentätigkeiten erlaubt, jedoch muss das Mandat immer im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen. Das Ganze ist nicht weiter ausgeführt, aber bei Einnahmen in dieser Höhe, insbesondere in Zusammenhang mit der Krise, drängt sich die Frage auf, ob das Geschäft trotz des Mandates oder eher wegen des Mandates zustande kam. Dieser Frage geht jetzt auch die Staatsanwaltschaft nach.[:]
Aber unabhängig von dieser juristischen Frage ist damit jedoch auch die Glaubwürdigkeit der Politik ins Wanken geraten. Es ist wohl keinem Bürger zu verübeln, wenn er hier das Gefühl hat, dass die Pandemie gezielt von Politikern zu ihren Gunsten ausgenutzt wird. Doch werfen wir erst mal einen Blick auf die anderen Fälle.

Fall II
Mark Hauptmann (CDU) ist der dritte Unionspolitiker, der innerhalb der letzten Tage Schlagzeilen machte. Der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete muss sich derzeit Lobbyismusvorwürfen stellen. Dieser hat es nicht nur geschafft, sich ebenfalls durch diverse zwielichtige Maskenangebote mit Vorwürfen konfrontiert zu sehen, sondern auch dem Vorwurf des Lobbyismus im Austausch für materielle Vorteile für Aserbaidschan.
So wird Mark Hauptmann vorgeworfen, zwei Landratsämtern Angebote für Masken und Mundschutz über Kontakte aus Vietnam unterbreitet zu haben. Einer der beiden Landkreise nahm das Angebot an. Inwiefern hier Gelder an Herrn Hauptmann geflossen sind, bleibt zu klären.[:]
Zweitens wird ihm vorgeworfen, dass er sich mit seiner kleinen Zeitung, dem „Südthüringen Kurier“ Gelder des Aserbaidschan annahm, um im Gegenzug für diesen zu lobbyieren. Das stößt besonders in Anbetracht des nächsten Falls übel auf.
Fall III
Momentan ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München gegen zwei CDU-Bundestagsabgeordnete. Karin Strenz und Axel Fischer sollen im Europarat bei mindestens einer Gelegenheit gemäß den Vorgaben von Vertretern Aserbaidschans abgestimmt haben. Darüber hinaus sollen sie sich auch für die Interessen des autoritär regierten Landes eingesetzt haben.
Hierfür erhielt Karin Strenz nachweislich Geld aus Aserbaidschan. Bei Axel Fischer besteht der Verdacht ebenfalls Gelder erhalten zu haben.[:]

Anstand? Fehlanzeige.
Dieses Verhalten in den genannten Fällen schwankt zwischen Strafbarkeit und einfach nur absolut dreisten und unverschämten Verhalten. Genaueres werden die Gerichte in nächster Zeit klären. Der Schaden ist jedoch angerichtet. Die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt ist nachhaltig geschädigt. Das Verhalten der Abgeordneten macht dies nicht gerade besser. So wollten Nikolas Löbel und Georg Nüßlein beide ihr Mandat weiter behalten und lediglich zukünftig nicht mehr kandidieren. Ein plus von jeweils mindestens 70.584,29 €[:] an Abgeordnetenbezügen für jeden würde das bedeuten.
Hat das ganze System?
Es ist auffällig, wie viele Unionspolitiker verwickelt sind. Die Liste ist lang. Sehr lang. Das ganze mag manchmal eine juristische Grauzone sein, aber anständig ist es trotzdem noch lange nicht. Ganz im Gegenteil. Ein Abgeordneter sollte ganz primär sich seinem Mandat, seiner Verantwortung dem Wähler und der Demokratie gegenüber bewusst sein. Seine Aufgabe ist grundlegend für unseren Staat und mit dem Vertrauen der BürgerInnen in die Abgeordneten ist eine indirekte Demokratie erst möglich. Derartiges Verhalten gefährdet unseren Staat.
Das ganze stößt mir persönlich besonders übel auf, wenn ich daran denke, dass die Union seit Jahren ein Lobbyregister in Deutschland verhindert.[:] Die Gründe hierfür sind jetzt offensichtlich. Und wir haben vermutlich bisher nur an der Oberfläche gekratzt. Immerhin kam durch die Vorfälle mit Philipp Amthor (CDU) und dem dubiosen US-Unternehmen „Augustus Intelligence“ die Regierung etwas in Fahrt und durch die letzten Fälle in der Union kommt jetzt endlich auch eine light-Form eines Lobbyregisters.[:]
Nachtrag
Nur wenige Stunden nachdem dieser Beitrag online ging der nächste Verdachtsfall aus den Reihen der Union: Der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (CDU) soll zu Beginn der Corona-Pandemie angerufen und dazu aufgefordert haben, Beatmungsgeräte, die zu diesem Zeitpunkt auch in unserer Region knapp waren, bevorzugt an Aserbaidschan zu liefern.[:]